Es ist Sonntagmorgen in The Bronx, New York. Von außen macht die Friendly Baptist Church einen unscheinbaren Eindruck, wirkt kaum wie ein Gotteshaus.  Wir treten ein und werden gleich durchgewinkt. „Ganz vorne auf der rechten Seite sind noch Plätze frei.“ Kurz bevor der Gospel-Gottesdienst beginnt, laufen verschiedene Sonntagschulen ab, Besucher begrüßen sich, die Musiker nehmen an ihren Instrumenten Platz, ein Prediger mahnt zur Ruhe. Die Kirche ist rappelvoll mit Leuten jeden Altes und ein paar Touristen der Harlem Gospel Tour. Sie stehen kurz davor, einen Gottesdienst zu erleben, wie sie ihn noch nie zu vor mitgemacht haben.

Die meisten Kirchenbesucher haben sich an diesem Sonntagmorgen extra fein gemacht.

Mein Blick bleibt an einer aufs Feinste herausgeputzten Dame in einer der hinteren Bänke hängen.  Sie trägt ein strahlend-Kostüm mit passendem Schleifen-Hut, dazu Ohrringe und hochhackige Pumps. Wie alt sie wohl sein mag? Sie könnte die 80 überschritten haben, sitzt etwas zusammengesunken neben ihren Familienmitgliedern. Der Prediger liest aus der Bibel vor, gebannt hängt die Gemeinde an seinen Lippen, manche kommentieren seine Lesung mit wiederholtem Nicken. Ausnahmslos alle schleudern ihm ein ‚Halleluja‘ entgegen, als er endet.

Alle tanzen mit

Zeit für den ersten Gospel. Der Schlagzeuger direkt vor uns erwacht zum Leben und zwinkert einer selbstbewusst wirkenden Lady zu, die sich lächelnd den Weg nach ganz vorne in die Kirche bahnt. Als sie zu singen beginnt, geht ein Ruck durch die Besucher. Die volltönende Stimme der jungen Frau dringt bis in die hintersten Kirchenbänke vor. Schon bald singen alle mit, wiegen sich im Rhythmus der Musik. Nach und nach hält es keinen mehr auf dem Allerwertesten, alle stehen auf, singen mit, tanzen im Takt des Gospels.

Harlem Gospel Tour
Beim Gospelgottesdienst herrscht eine fröhliche Atmosphäre und die Kirche ist voll besetzt.

Ich schaue zu der Dame in Blau. Kaum zu glauben, aber selbst sie gibt alles, ist aufgestanden, schwenkt die Hüften, reckt die Arme in die Luft und singt das komplette Lied auswendig mit. Da können auch die Touristen nicht anders, als einfach mitzumachen, auch wenn keiner den Text kennt. „Halleluja“ kann jeder singen und auf der Stelle tanzen auch. Die Sängerin nickt zufrieden und hängt noch eine Strophe dran, der Pianoplayer legt einen Zahn zu und irgendwie scheint das ganze Gotteshaus mitzuswingen.

Als die Sonntagskirche nach vielen gemeinsamen Gospels endet, fühlen wir uns irgendwie ein bisschen wie eine verschworene Gemeinschaft. Mit leichtem Herzen und einem leisen Bedauern verlassen wir die Kirche, lassen die Stadtteile The Bronx und Harlem hinter uns und kehren zurück ins pralle New Yorker Stadtleben. Vor allem Harlem mit seinen mehr als 400 Kirchen werden wir aber so schnell nicht vergessen.

Hier seht ihr ein kurzes Video vom Gospelgottesdienst:

Harlem Gospel Tour: ein Fotostopp am Apollo Theater

Tatsächlich hatten wir noch Harlems schlechten Ruf im Hinterkopf, als wir uns frühmorgens auf die „Harlem Gospel Tour“ begeben hatten. Immerhin hatte der Stadtteil einst wirklich zu den  kriminellsten Gegenden von New York gehört, Diebstähle, Morde, Drogen waren noch in den 60er, 70er und 80er-Jahren an der Tagesordnung. „Seit den 90er Jahren hat sich das zum Glück geändert“, erzählt unser Guide, während wir durch saubere, aber verschlafen wirkende  Straßen fahren. Ganz Harlem scheint an diesem Sonntagmorgen noch im Bett zu liegen. Auch  am berühmten Apollo Theater ist um diese Uhrzeit natürlich noch nichts los.

Harlem Gospel Tour
Am Apollo Theater in Harlem wird ein kurzer Fotostopp eingelegt.

 

Harlem Gospel Tour
Hier begannen die Karrieren weltberühmter Jazzmusiker.

 

 

 

 

 

 

In der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg hatten hier die sagenhaften Karrieren von Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan und Billie Holiday begonnen. Hotspot des Jazz war das Apollo dann in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Musiker wie Duke Ellington und Louis Armstrong auftraten. Übrigens hatte auch die schillernde Laufbahn von Michael Jackson einst an dieser Stelle begonnen. Nach seinem Tod versammelten sich Tausende von Fans am Apollo Theater um ihrem Idol zu gedenken.

Treffpunkt der Promis: das Hotel Theresa

Ganz in der Nähe dürfen wir noch einen kurzen Blick auf das Hotel Theresa werfen. Von seinem einstigen Glanz können wir aber nicht mehr viel ausmachen. Das 1913 eröffnete Hotel war mal das größte und prächtigste Gebäude in Harlem. Bis 1940 akzeptierte es nur Gäste mit weißer Hautfarbe und machte lediglich Ausnahmen. wenn es sich um schwarze Promis handelte. Zu jenen „besonderen Gästen“ zählten dann beispielsweise Josephine Baker, Duke Ellington, Muhammad Ali, Ray Charles, Little Richard und Jimi Hendrix.

Harlem Gospel Tour
Josephine Baker zählte einst zu den prominenten Gästen des Hotels Theresa in Harlem. (Foto: Wikimedia Commons)

Einige Szenen des Hitchcock-Films Topas wurden im Hotel Theresa gedreht, heute befinden sich Büros in dem Hochhaus. Die Zeiten des Glamours sind endgültig vorbei. Um in die Glitzerwelt der Schönen und Berühmten einzutauchen, müssen sich Besucher jetzt zum Broadway begeben. Doch das ist eine andere Geschichte…

Harlem Gospel Tour
Jede Menge Glitzer erwartet New York-Besucher am Times Square.

Text & Fotos: Susanne Müller

 

Unsere Harlem Gospel Tour hatten wir hier gebucht:

 

Obwohl unser New York-Ausflug ‚Harlem Gospel Tour‘ hieß, gehörten noch ein paar andere interessante Fotostopps zur Tour: etwa die Columbia University, eine der ältesten und renommiertesten Universitäten der USA. Zu den Absolventen zählen z.B. Barack Obama und Warren Buffett.

Harlem Gospel Tour

Zudem waren wir an der „Cathedral Church of Saint John the Divine in the City and Diocese of New York“ in der Upper West Side.

Harlem Gospel Tour

Und schließlich ging es noch zum Morris-Jumel Mansion, einem historischen Bauwerk in Washington Heights. Während des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs 1776 hatte George Washington hier einige Wochen lang sein Hauptquartier aufgeschlagen.

Harlem Gospel Tour

 

Lust auf ein wenig New York-Feeling in old Germany?  – Dann empfiehlt sich ein Ausflug nach Bremerhaven

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