Wer sich nach Queensland in Australien aufmacht, der hat fast immer auch eine ganz bestimmte Insel auf seinem Reiseplan: Fraser Island. Sie beflügelt die Fantasie mit Superlativen wie „größte Sandinsel der Welt“, „UNESCO Weltnaturerbe“, aber auch mit traumhaften Bildern im Kopf: endlose Strände, Regenwald, wilde Dingos…

Strand Fraser Island
Mit dem Allradbus werden die wunderschönen Strände von Fraser Island erobert.

Kein Zweifel, da lohnt sich das frühe Aufstehen: Um zehn vor sechs stehe ich abfahrtbereit vor meiner Unterkunft, als ein bunt bemalter Bus auf hohen Rädern kurz hält und mich einsteigen lässt. 16 müde Gesichter murmeln ein schlaffes ‚Good Morning‘, während Greg, unser Guide, vor Energie nur so sprüht.
Wir fahren von Noosa an der Sunshine Coast zur Fähre: knapp eineinhalb Stunden durch Pinienwälder und Mangoplantagen. Zwischendurch hügeliges Weideland. Das Gras steht so hoch, dass man manchmal nur die Ohren der Rinder sieht, die hier grasen. Die frühe Morgensonne taucht die Landschaft in ein Meer aus zartem Orange. Am Wegesrand sitzen Kängurus und starren unseren Bus an. Niemand nutzt die Zeit, um noch ein Nickerchen zu machen. Die Szenerie ist wie aus dem Märchenbuch: einfach zu schön, um die Augen zu schließen.

Fraser Island Tourguide Greg
Tourguide Greg weiß alles über Fraser Island.

„Schnell, schaut mal nach rechts“, ruft Greg, „da stehen drei Brumbies.“ Direkt neben der Schnellstraße grasen zwei Stuten und ein Fohlen auf einem schmalen Streifen Grün. Greg hatte uns bereits erzählt, dass die australischen Wildpferde früher auch auf Fraser Island lebten. Nachdem die Insel zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, mussten die Pferde jedoch weichen. Heute leben sie frei in den Wäldern an der Küste.

Mit 80 Stundenkilometern über den Strand

Die Überfahrt mit der kleinen Fähre von Inskip Point (Rainbow Beach) dauert nur gut zehn Minuten, dann schaltet Greg den Allradgang ein, steuert auf den 75 Mile Beach und drückt das Gaspedal durch. Wir gleiten auf dem menschenleeren Sandstrand direkt entlang der Wellen des Pazifiks und genießen die Aussicht. Die Regierung hat unsere „Fahrbahn“ zur offiziellen Straße erklärt – Höchstgeschwindigkeit 80 Stundenkilometer. Manchmal landet hier auch ein Flugzeug.
„Haltet Ausschau, vielleicht sehen wir Dingos“, rät Greg. Ab sofort scannen wir die Gegend nach den wilden Hunden, die tatsächlich mehr mit den Wölfen verwandt und nicht ganz ungefährlich sind. Rund 200 Dingos leben auf Fraser Island. Überall warnen Schilder davor, dass man keine Essensreste rumliegen lassen und sich ihnen nicht nähern soll. Die Campgrounds sind mit Elektrozäunen gesichert, um die Dingos fernzuhalten. Wir sehen erstmal keine der Wildtiere, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Buckelpisten im Hinterland von Fraser Island

Wir verlassen den Strand und kurven ins Hinterland. Jeder Snowboarder würde sich über die Buckelpisten hier freuen – nur, dass unsere nicht aus Schnee, sondern aus schneeweißem Sand bestehen. Unglaublich, dass Greg hier überhaupt fahren kann. Der Allradbus schüttelt uns durch, was das Zeug hält. Schlimmer geht’s nimmer, denke ich, als der Bus mal wieder einen unerwarteten Hopser macht. Doch da meldet sich Greg aus dem „Cockpit“. „Wenn ihr denkt, dass es bis hierhin holperig war, habt ihr euch getäuscht. Das fängt jetzt erst an.“
Meine Güte, er soll recht behalten. Unser „Fraser Island Space Shuttle“ schleudert durch den Busch wie eine wild gewordene Kirmes-Raupe. Wir fliegen gerade mal wieder in den Sitzen hoch, als Greg sich nochmal meldet. „Ach ja, hatte ich erwähnt, dass heute Girl‘s Day ist? Da schieben die Mädchen, falls wir stecken bleiben.“
Fünf Minuten später ist es soweit. Der Bus streikt vor einer gewaltigen Sandbodenwelle und die Girlies auf den hinteren Bänken kreischen los. „Oh Gott, nein, Greg, gib Gas! Wir wollen keinen Staub schlucken!!!“
Greg verweigert die Antwort. Doch dafür lässt er den Bus gut 200 Meter zurückrollen und gibt Vollgas. Der Motor heult auf und das Gefährt schießt durch den Sand. Wir halten den Atem an, fliegen über die Düne, dann bricht der Jubel los.

Glasklares Wasser im Lake McKenzie

Den ersten Kaffee und ein paar Cookies gibt es gegen zehn Uhr mitten im Busch. Nach der frühmorgendlichen Rallye fällt es leicht, mit den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen. Aber Greg scheucht uns weiter. „Da vorne geht’s zum Lake McKenzie. Nutzt die Zeit, um eine Runde zu schwimmen, das Wasser ist herrlich.“
Was für eine Untertreibung … Das Wasser ist nicht nur herrlich. Es ist glasklar, kühl, aber nicht kalt, und außerdem sind nur ganz wenig Touristen am Strand. Meine Füße versinken in einem weißen, feinen Sand, der aus einer Eieruhr stammen könnte. Nur, dass hier Tonnen davon herumliegen. Kein Wunder, dass die Ureinwohner der Insel den Namen Paradies Insel gaben. Wir würden ja gerne noch ein bisschen bleiben, aber das Programm ist streng durchgetaktet.

Lake McKenzie Fraser Island
Glasklares Wasser und weißer Sand am Lake McKenzie.

50 Shades of Green

Ein Spaziergang durch den Regenwald steht an. “50 Shades of Green“ könnte das Motto hier lauten. Riesenfarne streifen unsere Arme, als wir einen schmalen Fluss entlanglaufen, der sich durch den dichten Dschungel schlängelt. Zurück am Picknickplatz haben Greg und sein Kollege Andrew vom anderen Bus schon frische Salate ausgepackt, ein Feuer im Grill entfacht und jede Menge Steaks und Lachse auf den Rost geworfen. Es gibt Softdrinks, Bier und Wein und ein tolles Barbecue genau zur richtigen Zeit. Außerdem lerne ich ein neues Wort. „Falls du mal wieder so etwas Gutes zu essen bekommst wie heute und dich mit Aussie Slang hervortun willst, dann sag: „good tucker“!, rät Greg. Okay, ist abgespeichert.

Regenwald Fraser Island

Fraser Island Regenwald
50 Shades of Green: der Regenwald von Fraser Island.
Barbeque Fraser Island
Andrew grillt Steaks und Lachse für die Mittagspause.

Auf dem Weg zurück zum Strand erzählt Greg uns noch die Geschichte, wie die Insel Fraser Island zu ihrem Namen kam. Ein Schiffsunglück im 19. Jahrhundert war schuld. 1836 brach die „Stirling Castle“ unter Kapitän James Fraser von Sydney in Richtung Singapur auf. Am Great Barrier Reef holte sich das Schiff ein Loch im Rumpf und sank. Unter den Schiffbrüchigen befanden sich auch der Kapitän und seine hochschwangere Frau Eliza. Sie gebar ihr Kind, das jedoch starb, in einem winzigen Ruderboot mitten auf dem Meer. Schließlich erreichten die Frasers die Insel, auf der sie mehrere Monate auf ihre Rettung warteten und die später nach ihnen benannt wurde. Eliza kehrte nach England zurück und erzählte dort allerlei Blödsinn über die angeblichen Grausamkeiten der Aborigines. Sie verdiente offenbar nicht schlecht mit ihren wilden Stories, 1976 wurde ihre Geschichte sogar verfilmt („Eliza Fraser“).

Fotostopp am Schiffswrack

Kaum hat Greg seinen Rückblick in die Geschichte beendet, haben wir den Strand erreicht und sehen ein anderes Schiffswrack vor uns: die rostigen Überreste der „S.S. Maheno“. Der einstige Luxusliner war 1935 während eines Zyklons auf Grund gelaufen. Nachdem die Royal Australian Air Force das Wrack als Zielobjekt für ihre Schießübungen aufgegeben hat, ist die „Maheno“ nun ein beliebtes Ziel für die fotowütigen Touristen.

Schiffswrack Fraser Island
Die rostigen Überreste der „S.S. Maheno“.
Pinnacles Fraser Island
Sandtürme „The Pinnacles“.

Pinnacles Fraser Island

Die nächsten Motive lauern nur wenige Meter entfernt. Es sind die hübschen Sandtürme „The Pinnacles“ und „The Cathedrals“. Und dann kommt auch schon der türkis schimmernde Süßwasserbach Eli Creek. Flugs streifen wir die Schuhe ab und genießen das kühle Wasser bei einem Spaziergang durch den glasklaren Creek.

Fraser Island Eli Creek

Eli Creek Fraser Island
Erfrischende Abkühlung im smaragdgrünen Eli Creek.

Noch ein Kaffee am Nachmittag und Greg schaut auf seine Armbanduhr. „Zeit für den Rückweg“, sagt er und alle machen lange Gesichter. Es ist so schön auf Fraser Island, da möchte man einfach noch länger bleiben. Und außerdem: Wir haben noch keine Dingos gesehen!

Wilde Dingos

Zugegeben, Fraser Island ist kein Zoo und wo soll Greg sie herzaubern? Aber irgendwie schafft er es doch. Bevor er unseren Bus auf die kleine Fähre lenkt, reißt er uns aus unseren wehmütigen Gedanken. „Dingos!! Direkt am Strand, könnt ihr sie sehen?“
Was für eine Frage. Mit klopfenden Herzen hängen wir am Fenster und starren auf die ziemlich mageren Tiere, die am Strand herumlungern. Ich hatte sie mir irgendwie größer vorgestellt. Aber immerhin: Wilde Dingos! Die hat noch nicht jeder gesehen.

Fraser Island Dingo
Endlich: wilde Dingos!

Zufrieden verlassen wir den Bus, um uns auf der Fähre noch ein wenig den Wind um die Nasen wehen zu lassen und werden standesgemäß verabschiedet. Mehrere Delfine begleiten die Fähre ans Festland.
Zurück nach Noosa fahren wir über den wunderschönen Rainbow Beach. Natürlich gibt es auch dazu eine Geschichte. Die Sanddünen, an denen wir nun am späten Nachmittag vorbei donnern, leuchten in allen Farben des Regenbogens. Nach einer Legende der Aborigines stürzte der Geist des Regenbogens vor Urzeiten hier in den Sand.
Ach ja, die Legenden der Traumzeit, die Schönheiten von Queensland, sie haben nun einen Platz in meinem Herzen. Dieser Tag auf Fraser Island wird unvergessen bleiben.

Text & Fotos: Susanne Müller

Rainbow Beach
Zurück nach Noosa fahren wir über den wunderschönen Rainbow Beach.

Infos zu Fraser Island:

Fraser Island ist 124 Kilometer lang, durchschnittlich 15 Kilometer breit und umfasst 1840 Quadratkilometer. Damit ist die australische Insel etwa doppelt so groß wie Rügen. Das Baden im Meer gilt auf Fraser Island als lebensgefährlich, da es sowohl starke Strömungen als auch Haie gibt. Wer auf Fraser Island zelten möchte, muss dies schon vor seiner Ankunft buchen, wildes Campen ist verboten. Sich selbst einen Allrad-Jeep zu buchen und die Insel auf eigene Faust zu erobern, ist natürlich möglich – aber teuer und nicht ganz ungefährlich (immer wieder bleiben Jeeps im Sand stecken und werden dann manchmal von der Flut überspült …) Da die Kosten für den Wagen, die Fähre und die Nationalpark-Gebühren ziemlich hoch sind, lohnt sich eine Selbstfahrertour nur, wenn man mindestens zu dritt unterwegs ist. Viel bequemer und auch informativer ist ein geführter Ausflug. Ich habe die Tour bei fraserislandadventuretours.com.au gebucht. Die beste Reisezeit für Fraser Island? – Immer! Angenehm warm ist es das ganze Jahr über, im Januar, Februar und Dezember gibt es am meisten Regen.

Jeep auf Fraser Island
Man kann Fraser Island auch auf einer Selbstfahrertour mit dem Jeep erkunden.

Ein kurzes, fantastisches Video über Fraser Island seht ihr hier:

Eine andere australische Trauminsel ist Rottnest Island. Hier geht’s zu meinem Artikel über Rottnest Island in Westaustralien.

Buchtipp

Ihr lest gerne spannende Bücher, die in Australien spielen? – Dann kann ich euch die Romane Der Stein der Schildkröte und Das Geheimnis der Traumzeit empfehlen!

Hier geht es zu noch mehr guten Urlaubsbüchern!

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