Es gibt viele Hotels auf der Welt, in denen man eine oder mehrere Nächte verbringt und sie anschließend schnell wieder vergisst. Das Graycliff auf den Bahamas gehört nicht dazu. Ob man will oder nicht, das von einem tropischen Garten umgebene Anwesen in der Altstadt von Nassau versetzt einen in dem Moment, in dem man seinen Fuß auf die Veranda setzt, in eine andere Welt. Oder sollte ich vielleicht sagen in eine andere Zeit?
Wenn man die Augen schließt, kann man sie vielleicht sogar hören, die Stimme des Piraten Graycliff, der dieses Haus auf den Bahamas erbaute – mit geraubtem Gold. Beim Spaziergang durch den Garten singen tropische Vögel in den Bäumen. Hinter den Büschen verbergen sich steinerne Löwen mit aufgerissenem Maul.
Das Graycliff: Stimmen der Vergangenheit
Der Pool mit Mosaikfußboden hätte aus dem Hollywood-Film ‚Der große Gatsby‘ stammen können. Er liegt verlassen in der Mittagshitze. Vom Inneren des Hotels erklingen die gedämpften Unterhaltungen der Gäste herüber, ein helles Frauenlachen und der Ton, der entsteht, wenn Gläser aneinanderstoßen. Das einzige Fünf-Sterne-Restaurant der gesamten Karibik ist gut besucht.
Die teuersten Weine der Welt
Es ist schwül in Nassau. Die Menschen der Karibikinsel haben sich in den Schatten zurückgezogen. Im Graycliff sorgt die Klimaanlage für angenehme Kühle. Und der Gang in den Keller. Hier liegt nicht etwa die sprichwörtliche Leiche begraben, sondern ein Vermögen. 225.000 Flaschen Wein von 400 Weingütern aus 15 Ländern lagern gut sortiert in den Regalen. Ich frage mich, wie der Sommelier es schafft, die richtige Flasche unter so vielen zu finden, wenn oben im Restaurant ein ganz bestimmter Wein geordert wird. Doch der Herr der Weine lächelt nur. Das sei ein Kinderspiel für ihn, meint er und erzählt stolz, dass sich in diesem Keller auch die älteste und wahrscheinlich teuerste Weinflasche der Welt befindet. Sie kommt aus Deutschland: ein 1727 Rüdesheimer Apostelwein aus dem Rheingau. Bisher hat ihn noch niemand bestellt – möglich wäre es aber.
Beim Rundgang durch das Hotel staune ich über die vielen Antiquitäten, über teure Stoffe und kostbare Gemälde. Und ich wundere ich mich, dass noch niemand einen Roman über dieses verwunschene Anwesen geschrieben hat. Stoff dafür gäbe es reichlich.
Das Haus des Piraten Graycliff
Gebaut wurde das Graycliff im Jahre 1740 von Captain John Howard Graysmith. Er war ein berüchtigter Pirat, der seinen Reichtum damit begründete, die mit Schätzen beladenen Schiffe der Karibik zu plündern. Zu seiner Zeit prangte noch ein Totenkopf auf der inoffiziellen Flagge der Bahamas. 1776 wurde Nassau von der amerikanischen Marine besetzt, die das Graycliff als ihr Hauptquartier beschlagnahmten. 1844 avancierte das Anwesen zum ersten wirklichen Gasthaus Nassaus. Während des amerikanischen Bürgerkriegs diente es als Offiziersmesse für das Westindische Regiment. Noch heute wird davon gesprochen, wie die Menschen in dem vom Palmen umgebenen Prachtbau saßen, eine Flasche Rum nach der anderen tranken und sich die wildesten Kriegsgeschichten erzählten.
In den turbulenten 1920er Jahren, der Zeit der Prohibition und des Charleston, gehörte das Graycliff einer Mrs. Polly Leach. Sie war eine enge Freundin des Mafia-Bosses Al Capone. Neben Mitgliedern der Mafia gaben sich damals alle Reichen und Schönen der Welt im Graycliff die Klinke in die Hand.
1966 ging das Hotel in den Besitz von Lord und Lady Dudley, dem dritten Earl of Staffordshire, über. Nun zog es den britischen Adel in das weitläufige Haus in der Karibik. Der frühere König Edward VIII und spätere Herzog von Windsor mit seiner Gattin, Lord Mountbatten und Sir Winston Churchill logierten fürstlich in den Suiten des Graycliffs.
Lady Grace Dudley sorgte damals fürs Dekor und die wertvolle Antiksammlung, die noch heute die Gästezimmer schmücken. 1973 kauften Enrico und Anna Maria Garzaroli das Haus und wandelten es in das elegante Hotel um, in dem man heute wohnen kann – und das man garantiert nie vergisst.
Text & Fotos: Susanne Müller
Meine Reise wurde unterstützt von dem Segelanbieter Moorings (www.moorings.de) und dem Fremdenverkehrsamt der Bahamas (www.bahamas.de)
Hier gibt es ein kurzes Video über das Hotel:
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