Wir erreichen Napier morgens um acht mit dem Kreuzfahrtschiff. Das Wetter: at its best. Blauer Himmel, Sonne, später am Morgen erreicht das Thermometer satte 30 Grad – nicht unbedingt an der Tagesordnung für Neuseeland. „Morgen wird es zehn Grad kühler sein und den ganzen Tag regnen“, erklärt uns der Busfahrer, der uns ins Zentrum der Art déco-Stadt Napier bringt. Sie liegt auf der Nordinsel Neuseelands, mitten in der bekannten Weingegend Hawke’s Bay. Hier entstehen ausgezeichnete Chardonnay, Syrah, Cabernet Sauvignon und Merlot.
Am Aquarium startet meine vierstündige Tour „Napier & Hawke’s Bay“. Kaum bin ich mit dem kostenlosen Shuttlebus angekommen, geht’s auch schon los. Als letzte Passagierin entere ich den Mini-Van und unsere Fahrerin Tere startet durch. Die temperamentvolle Mexikanerin erzählt uns gleichmal, wie es sie überhaupt ans andere Ende der Welt verschlagen hat.
Napier & Hawke’s Bay
Frisch verheiratet mit einem Engländer, erfuhr sie, dass ihr Schwiegervater einen Bruder in Neuseeland hat, den er seit 55 Jahren nicht gesehen hatte. Unglaublich, fand Tere. Schließlich liegt Neuseeland zwar am anderen Ende der Welt, doch unerreichbar ist es deswegen ja wohl noch lange nicht. Also insistierte die weitgereiste Mexikanerin so lange, bis es schließlich zur Familienwiedervereinigung im Kiwi-Land kam. Doch während Tere heiße Tränen der Rührung vergoss, begrüßten sich die beiden Brüder nur mit einem kühlen ‚Hi‘ und das war’s. „Für mich war es das allerdings noch lange nicht“, schmettert Tere durch den Bus. „Ich verliebte mich Hals über Kopf in dieses Land und überredete meinen Mann, hierzubleiben.“
Auf dem Gipfel des Te Mata
Mit uns fährt sie gleich frühmorgens auf den Gipfel des Te Mata, der sich 400 Meter über den Meeresspiegel erhebt und eine grandiose Panoramaaussicht bietet. Laut einer Maori-Legende ist Te Mata Peak der Körper eines niedergefallenen Riesen. Wenn man von Ferne zum Berg blickt, kann man tatsächlich die Gestalt des Riesen an seiner Silhouette erkennen. Eskortiert von einem neuseeländischen Motorradfahrer, der Tere warnt, wenn uns Jogger oder Mountainbikefahrer auf der schmalen Serpentinenstraße entgegenkommen, kurven wir den steilen Berg hinauf. Kaum zu glauben, dass hier so einige Gruppen junger Männer schweißüberströmt den Te Mata hinaufrennen.
Sportliches Neuseeland
„Ja, Neuseeland ist echt ein sportliches Land“, lächelt Tere, während wir verdutzt den Läufern hinterherschauen. Der Ausblick vom Te Mata ist atemberaubend: weites, grünes Land, soweit das Auge reicht. Bevor es an unserem Aussichtspunkt richtig voll wird, treten wir den Rückweg an und erkunden die Gegend am Fuße des Berges. Wir fahren durch Apfelbaumplantagen und Weingebiete und wir entdecken den Kakapo. Der Eulenpapagei ist typisch für Neuseeland, fast so wie der Nationalvogel Kiwi, der allerdings viel seltener vorkommt.
Vintage-Look in Napier
Nach einem kurzen Stopp in Hastings mit seinen hübschen Art déco-Häusern gelangen wir schließlich zurück ins Zentrum von Hawke’s Bay: nach Napier. Palmen ragen an den tiefblauen Himmel, bunte Sommerblumen blühen in tausenden von Kübeln, vor den Cafés sitzen Urlauber und Einheimische bei kühlen Getränken. Hin und wieder gleiten chromblitzende Limousinen aus einem anderen Leben durch die Straßen und geben einem das Gefühl in einen Zeitstrahl gefallen zu sein. Die auf Hochglanz polierten Oldtimer – meist Cabrios – werden von Fahrern gesteuert, die mit ihrer Kleidung aus den 30er Jahren ebenfalls voll dem Vintage-Look verfallen sind. Touristen können eine Citytour oder einen Ausflug zu einem Weingut mit den schnittigen Karossen buchen.
Einmal pro Tag ein Erdbeben
Warum Napier so aussieht wie es aussieht? Weil es am 3. Februar 1931 fast vollständig von einem Erdbeben der Stärke 7,9 zerstört worden war. „Erdbeben gibt’s hier auch jetzt noch andauernd. Mindestens eines am Tag. Allerdings merken wir das gar nicht“, erzählt uns Tere. Etwa einmal im Jahr jedoch rumpelt es doch etwas stärker. „Dann fällt man dabei schon mal aus dem Bett“, sagt sie.
Das große Art déco Festival
Doch zurück zu dem großen Beben von 1931. Nachdem die gesamte Innenstadt von Napier zerstört war, entschlossen sich die Stadtplaner ihre City komplett im Stil des Art déco wiederaufzubauen. Das war damals der angesagteste Stil der Zeit. Und voilà: Ende des Jahrzehnts galt Napier als architektonisch modernste Stadt der Welt. Noch nicht einmal Miami Beach kann mit ihr mithalten, wenn es um die Ansammlung von Häusern im Art déco -Stil geht. Jedes Jahr im Februar feiert Napier sein kulturelles Erbe mit einem riesigen Art déco Festival, zu dem Besucher aus der ganzen Welt kommen. Ein freies Zimmer zu ergattern, grenzt dann schon an einen Lottogewinn.
Napier: ein Tag ist viel zu kurz
Neben Urlaubern, die mit Auto oder Bus nach Napier kommen, gibt es inzwischen immer mehr Kreuzfahrtpassagiere. „Noch vor sieben Jahren hatten wir in der Sommersaison gerade mal 13 Kreuzfahrtschiffe im Hafen. Heute sind es 77“, erzählt Tere. Da die Hafengebühren happig sind, bleiben viele Schiffe nur einen halben Tag in Napier. Doch das ist für die hübsche Stadt und die wunderschöne Umgebung eigentlich viel zu wenig.
Text & Fotos: Susanne Müller
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